Fledermaus-Winterquartier

Der Umbau des Bergwerksstollens des Marmoritwerks Hochstädten zum Fledermauswinterquartier. Was lange währt…

 

Das Marmorvorkommen in Hochstädten wurde bereits in römischer Zeit genutzt, der Abbau unter Tage begann hier aber erst im 18. Jahrhundert. Bei einem heftigen Gebirgsschlag im Jahr 1961 stürzte der sog. Heymann-Saal und weitere Teile des Stollensystems ein. 1975 wurde der Abbau eingestellt und die Firma Marmorit betrieb noch für einige Jahre ein Verputzwerk am Standort.

Seit Jahrzehnten ist bekannt, dass der Bergwerksstollen ein wichtiges Winterquartier für Fledermäuse darstellt. In den 1950er und 1960er Jahren wurden Fledermäuse durch Mitarbeiter des Senckenberg-Instituts in Frankfurt gezählt und beringt. Aus der Zeit ist bekannt, dass sogar die Kleine Hufeisennase (Rhinolophus hipposideros) und die Mopsfledermaus (Barbastella barbastellus) hier Winterschlaf hielten, Arten, die mittlerweile extrem selten geworden sind.

Damals waren noch mehrere Sohlen unterhalb des Eingangsniveaus zugänglich. Durch den Einsturz des Heymanns-Saals 1961 entstanden auch im hinteren Stollenbereich Lücken und Spalten, durch die Fledermäuse Zugang zum Stolleninneren hatten. Ein noch vorhandener Notausstieg wurde mit Beton verplombt, um zu verhindern, dass Mineraliensammler unter Lebensgefahr in teilweise verschüttete Gänge eindringen. Ob heute noch kleine Zugänge in Form von Spalten und Ritzen, für Menschen verborgen, existieren, ist unklar.

Nach der Stilllegung des Abbaubetriebs wurden die Pumpen abgestellt, die unteren Sohlen sind sämtlich „abgesoffen“. Auf der Ebene des Stollenmundlochs reicht heute noch ein Gangsystem ca. 250m weit bis zum sog. Karlsschacht in den Berg hinein. Seitliche Gänge sind weitgehend verstürzt.

Später wurde das Firmengelände verkauft, hier befindet sich mittlerweile ein Wohngebiet. Nach dem Abriss der Firmengebäude bemühte sich der NABU darum, dass das Fledermausquartier erhalten bleibt, der Eingang gegen unbefugtes Betreten gesichert und der Zugang für Fledermäuse verbessert wird. Erleichtert wurde dies dadurch, dass für einen Eingriff in Nordbaden als Ausgleich eine Artenschutzmaßnahme für Fledermäuse erbracht werden musste. Damit war die Finanzierung der Ausbaumaßnahmen am Stollen gesichert.

Es stellte sich aber heraus, dass die Ausmauerung des Stollens im Eingangsbereich so stark durch Frostschäden in Mitleidenschaft gezogen war, dass für eine Betonauskleidung auf den ersten Metern wegen der Statik zusätzliches Geld benötigt wurde, das dann die Stadt Bensheim aus ihrem Naturschutzetat beisteuerte.

Die Arbeiten am Stollen durften natürlich nur außerhalb der Winterschlafperiode der Fledermäuse erfolgen, was die Arbeiten abermals verzögerte. Im Jahr 2020 war es dann endlich so weit: Die Bauarbeiten waren abgeschlossen und wir sind gespannt, was die Fledermäuse dazu sagen.

Im Inneren des Stollens mit einigen kurzen Seitengängen (ehemaligen Sprengkammern und Lagerräume) gibt es viele Bohrlöcher und Spalten, in denen sich Fledermäuse verstecken können. Einige Arten wie die Große Mausohrfledermaus hängen auch frei an der Decke. Bei den Zählungen im Spätwinter, kurz vor dem Ende der Winterschlafperiode, gibt es immer eine „Dunkelziffer“ winterschlafender Fledermäuse, die übersehen werden.

Ein Wort an alle, die sich für solche unterirdischen Gänge interessieren. Der Stolleneingang ist verschlossen und das Betreten ist nicht nur verboten, sondern kann auch lebensgefährlich sein. Störungen von Fledermäusen während des Winterschlafs können dazu führen, dass wegen des Energieverbrauchs beim Aufwachen die Reserven der Tiere nicht mehr bis zum Frühjahr ausreichen mit der Folge, dass die Tiere im Winterquartier sterben. Aus Natur- und Tierschutzgründen ist das nicht zu verantworten.

Wie man so schön sagt: Vernünftige Leute machen das nicht, für die übrigen ist es verboten.

Das Marmoritwerk im Betrieb. Im Hintergrund eine Natursteinwand mit einer instruktiven Sammlung von Gesteinen aus der geologischen Umgebung, die beim Abbruch leider verloren ging. Rechts ein Betriebsgebäude mit Verputz aus der lokalen Produktion, das ebenfalls abgerissen wurde. Dazwischen (rechts im Bild nicht sichtbar) liegt der Eingang zum Stollen.
Der Stolleneingang des Marmoritwerks vor dem Abriss der umgebenden Betriebsgebäude
Abrissarbeiten vor Ort, von oberhalb des Werksgeländes aus gesehen
Der Eingang nach dem Abriss, durch einen Felsblock gegen unbefugten Zutritt gesichert. Eindringendes Grundwasser fließt durch ein Rohr ab
Möglicher „Seiteneingang“, später provisorisch zugemauert
Eingangsbereich 2019. Die Vegetation erobert das Umfeld
Blick in den Stollen in der Nähe des Eingangs
Gewölbemauerung an der Decke mit zahlreichen Spalten – Versteckmöglichkeiten für Fledermäuse
Mittlerer Stollenbereich mit Blick auf das anstehende Gestein: Pegmatit-/Aplitgänge im Granodiorit
Stollendecke mit Stalaktiten durch eindringendes kalkhaltiges Grundwasser
Reste der Betriebseinbauten im sog. Karlsschacht
Hier ging es früher noch mehrere Sohlen nach unten, nach Abstellen der Pumpen sind sie inzwischen mit Wasser vollgelaufen
Ausmauerung direkt hinter dem Eingang mit Frostschäden an den ständig bergfeuchten Wänden
Derselbe Bereich von außen, zur Sanierung freigelegt
Der von innen verschalte Eingangsbereich wird aus statischen Gründen ausbetoniert
Eingangsbereich nach Abnahme der Schalung
Die ersten Meter sind nun statisch gesichert. Überwinterungsplätze gibt es hier natürlich nicht
Weitgehend fertiggestellter Eingangsbereich mit gesicherter Einflugmöglichkeit für die Fledermäuse
Weiter hinten im Stollen: Fransenfledermaus überwintert in einem Bohrloch
Auch Lücken im Mauerwerk werden als Versteck genutzt
Frei hängende Bartfledermaus. Die hohe Luftfeuchtigkeit schlägt sich als Tropfen im Fell nieder
Foto aus früheren Zeiten: Mausohrfledermäuse hängen in einer inzwischen gefluteten tieferen Sohle frei im anstehenden Marmor

Presse

Berichterstattung aus dem Bergsträßer Anzeiger: Winterquartier für seltene Fledermäuse in Hochstädten

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