Der NABU-Kreisverband Bergstraße sieht mit wachsender Sorge, wie in Hessen und auch vor Ort zunehmend wertvolle Freiflächen für Bauvorhaben und Energieprojekte geopfert werden – trotz klarer politischer Ziele zur Reduzierung des Flächenverbrauchs. Als Bindeglied zwischen den örtlichen NABU-Gruppen und dem Landesverband möchten er auf zwei aktuelle Entwicklungen hinweisen, die exemplarisch zeigen, wo die Konfliktlinien zwischen Naturschutz, Planung und Energiewende verlaufen – und wo aus unserer Sicht dringend nachgesteuert werden muss.
Der NABU Hessen hat sich gegenüber Staatsminister Ingmar Jung deutlich gegen die Änderung der Dorferneuerungsrichtlinie positioniert. Diese Änderung hebt die bisherige Verpflichtung der Kommunen zur vorrangigen Innenentwicklung auf – und steht damit aus Sicht des NABU in krassem Widerspruch zu den landespolitischen Zielen zur Eindämmung des Flächenverbrauchs.
Landesweite Kritik: Rückschritt beim Bodenschutz vermeiden
Der NABU Hessen erinnert an das Ziel, die Netto-Neuversiegelung in Hessen bis 2040 auf null Hektar zu reduzieren – ein zentraler Beitrag zum Schutz von Böden, zur Sicherung der Ernährung und zum Erhalt der Biodiversität. Die neue Richtlinie untergräbt dieses Ziel, indem sie Kommunen wieder weitgehend freie Hand bei der Ausweisung von Baugebieten im Außenbereich lässt.
„Wenn Fördermittel fließen, ohne dass die Kommunen sich zur Innenentwicklung verpflichten, wird öffentlicher Wille gegen öffentliche Ziele finanziert. Das ist nicht akzeptabel“, so die Kritik des Landesverbands. Zusätzlich warnt der NABU vor der zunehmenden Praxis, durch Zielabweichungsverfahren im Rahmen der Regionalplanung großflächige Neuversiegelungen zu ermöglichen – oft ohne ausreichende Prüfung von Alternativen und ohne Rücksicht auf landwirtschaftlich oder ökologisch wertvolle Flächen.
Photovoltaik mit Augenmaß: „Dach zuerst, Fläche zuletzt“
Auch mit Blick auf die Energiewende fordert der NABU klare Prioritäten. Der Koalitionsvertrag der Hessischen Landesregierung sieht vor, dass mindestens 50 Prozent der Photovoltaikleistung auf Dächern entstehen sollen. In der Praxis jedoch – so kritisiert der NABU – dominieren weiterhin Großprojekte auf landwirtschaftlichen Flächen.
Der NABU Hessen fordert daher eine konsequente Umsetzung dieser Vorgabe durch die Landes- und Regionalplanung. Neben Dachflächen sollten verstärkt Parkplatzüberdachungen, vertikale Anlagen an Verkehrswegen sowie echte Agri-PV-Konzepte genutzt werden. Freiflächen-PV müsse die Ausnahme bleiben.
Regionale Parallelen: Zwei NABU-Stellungnahmen zur Bauleitplanung in Bensheim
Diese landesweiten Sorgen spiegeln sich auch in der konkreten Planungspraxis vor Ort wider. In gleich zwei Stellungnahmen zur Ausweisung von Photovoltaikanlagen („An der Hartbrücke“ und „Kühruhlachwiesenäcker“) äußert der NABU Bensheim/Zwingenberg teils massive Kritik.
So wird insbesondere die Ausgleichsberechnung der Eingriffe in Frage gestellt. In der Stellungnahme zur Hartbrücke heißt es, durch fragwürdige Umdeutungen von Acker- zu Magerwiesen werde ein angeblicher Biotopwertgewinn simuliert, der in Wahrheit einen deutlichen Verlust bedeutet. Auch die fehlende Rückbauverpflichtung nach Laufzeitende sowie das Ausbleiben nachvollziehbaren Alternativenprüfungen wird beanstandet.
In der zweiten Stellungnahme zur Fläche Kühruhlachwiesenäcker kritisiert der NABU unter anderem eine zu dichte Modulüberschirmung (75 % statt max. 50 %), fehlende Festsetzungen für Biodiversitätsmaßnahmen, die nur empfohlen werden, die geplante Überbauung potenziell ökologisch wertvoller Feuchtzonen, und die bislang unterlassene vertiefte Umweltprüfung einschließlich Eingriffs-Ausgleichs-Bilanzierung.
NABU-Kreisverband Bergstraße: Einheitliche Linie über alle Ebenen
Der NABU-Kreisverband Bergstraße, der als Bindeglied zwischen den NABU-Gruppen und dem Landesverband agiert, unterstützt die inhaltlichen Positionen sowohl des NABU Hessen als auch der Gruppe Bensheim/Zwingenberg ausdrücklich. „Auch wenn wir als Kreisverband an den genannten Positionierungen nicht direkt beteiligt waren, stehen wir in der Sache klar hinter den dort formulierten Forderungen“, betont Michael Kärchner, Vorsitzender des NABU-Kreisverbands Bergstraße.
Die Anliegen – von der Reduktion des Flächenverbrauchs über die Kritik an Freiflächen-PV auf ökologisch sensiblen Flächen bis hin zum Vorrang der Innenentwicklung – spiegeln genau jene Herausforderungen wider, mit denen der NABU an der Bergstraße in vielen Kommunen konfrontiert ist. Damit wird deutlich: Vom Ortsverband über die Kreisebene bis zum Landesverband zieht der NABU inhaltlich an einem Strang – mit dem Ziel, Naturschutz, nachhaltige Planung und Energiewende verantwortungsvoll miteinander zu verbinden.
Fazit: Verantwortung wahrnehmen – Innenentwicklung und Natur schützen
Der NABU ruft Landesregierung und kommunale Entscheidungsträger dazu auf, den eingeschlagenen Kurs zu korrigieren. Es brauche endlich eine ernst gemeinte Strategie, die die Ziele von Boden-, Klima- und Naturschutz integriert verfolgt – und nicht gegeneinander ausspielt.
Insbesondere im dicht besiedelten Südhessen sei die Verfügbarkeit von geeigneten Dach-, Park- oder Verkehrsflächen für PV bei weitem nicht ausgeschöpft. „Wir erwarten von der Landesregierung, aber auch von der Stadt Bensheim, dass sie diese Potenziale systematisch hebt, bevor weitere wertvolle Freiflächen der Bebauung geopfert werden“, so der NABU abschließend.