Kreisverband fordert Stellungnahme: Bürokratieabbau darf nicht zum Naturschutzabbau werden

Der NABU-Kreisverband Bergstraße hat heute gemeinsam mit dem BUND Kreisverband Bergstraße mehrere Abgeordnete des Hessischen Landtags sowie regionale politische Entscheidungsträger:innen angeschrieben. Hintergrund ist das geplante Bürokratieabbaugesetz der Hessischen Landesregierung, das aus Sicht der Naturschutzverbände gravierende Auswirkungen auf Beteiligungsrechte, gesetzliche Schutzinstrumente und das Ehrenamt im Naturschutz haben könnte.

Konkret wurden die Landtagsabgeordneten Hildegard Förster-Heldmann (Grüne), Birgit Heitland und Alexander Bauer (beide CDU), Moritz Promny (FDP) sowie Dr. Josefine Koebe (Grüne) angeschrieben. Auch der Erste Kreisbeigeordnete Matthias Schimpf wurde um Stellungnahme gebeten. In dem gemeinsamen Schreiben formulieren NABU und BUND vier konkrete Fragen zu den geplanten Regelungen:

  • Einschränkung der Beteiligungsrechte anerkannter Naturschutzverbände bei Eingriffen in gesetzlich geschützte Biotope

  • Abschaffung der verpflichtenden Naturschutzbeiräte auf Kreis- und Landesebene

  • Aufgabe des Vorkaufsrechts für naturschutzrelevante Grundstücke

  • Aufweichung des Landschaftsschutzes durch rein optische Vergleichsmaßstäbe

„Was als Vereinfachung verkauft wird, bedeutet in der Konsequenz einen massiven Abbau demokratischer Mitwirkung und funktionierender Naturschutzinstrumente“, warnt Michael Kärchner, Vorsitzender des NABU Kreisverbands Bergstraße. „Gerade in einer dicht besiedelten und ökologisch sensiblen Region wie dem Kreis Bergstraße brauchen wir wirksame Strukturen, keine Entkernung bewährter Verfahren.“

Der NABU Hessen hatte bereits im Mai mit deutlichen Worten auf die Pläne der Landesregierung reagiert. Der Landesvorsitzende Maik Sommerhage kritisierte insbesondere die vorgesehene Entmachtung von Naturschutzbeiräten, den Wegfall der Mitwirkungsrechte bei der Beeinträchtigung gesetzlich geschützter Biotope sowie die geplante Streichung des Vorkaufsrechts des Landes für wichtige Naturschutzflächen wie Flussufer, Auen oder Wiesen.

„Wenn fachkundige Bürger und Vereine künftig nicht mehr ernsthaft einbezogen werden, führt das nur zu mehr Konflikten und mehr Verfahrensverzögerungen“, so Sommerhage.

Ein besonders problematischer Punkt sei auch die vorgesehene „Benehmensregelung“, bei der die Naturschutzbehörden künftig nur noch informiert, aber nicht mehr beteiligt werden müssten, wenn geschützte Landschaftsbestandteile oder Naturdenkmäler zerstört werden sollen.

Der NABU betont: Bürokratieabbau ist grundsätzlich begrüßenswert – aber nicht auf Kosten des Naturschutzes. „Es gibt durchaus sinnvolle Wege, Verfahren zu vereinfachen, etwa durch zulassungsfreie Unterhaltungsmaßnahmen an Gewässern oder standardisierte Ziele in europäischen Schutzgebieten“, heißt es vom Landesverband. Die nun vorgesehene Richtung aber sei ein Rückschritt – sowohl ökologisch als auch demokratisch.

Der NABU Kreisverband Bergstraße hat das eigene Schreiben zudem dem NABU Landesverband Hessen zur Verfügung gestellt, damit es auch anderen Kreisverbänden als Vorlage dienen kann. „Wenn wir als engagierte Ehrenamtliche aus vielen Regionen Hessens Rückmeldung geben, kann das Signal an die Politik nicht überhört werden“, so Kärchner.

Was steckt hinter dem Bürokratieabbaugesetz?
Ein Überblick aus Naturschutzsicht

🔍 Beteiligung soll eingeschränkt werden
Nach dem aktuellen Entwurf sollen Naturschutzverbände künftig bei Eingriffen in gesetzlich geschützte Biotope nicht mehr beteiligt werden. Behörden müssten sie nur noch „informieren“ – ein großer Unterschied.

🧭 Naturschutzbeiräte werden abgeschwächt
Bisher waren Naturschutzbeiräte auf Kreis- und Landesebene verpflichtend. Zukünftig sollen sie nur noch freiwillig eingerichtet werden – ihre fachliche Beratung würde so stark geschwächt.

🌊 Vorkaufsrecht fällt weg
Das Land Hessen möchte auf sein Vorkaufsrecht bei ökologisch wichtigen Flächen verzichten – zum Beispiel an Fluss- und Bachufern, die für Renaturierung und Artenschutz bedeutsam sind.

🌄 Landschaftsschutz wird relativiert
Eingriffe in das Landschaftsbild sollen künftig schon dann als ausgeglichen gelten, wenn ein ähnliches Landschaftsbild in einem Nachbarkreis existiert. Ausgleichsmaßnahmen vor Ort wären dann oft nicht mehr nötig.

⚠️ Gefahr für Natur, Ehrenamt und Demokratie
Aus Sicht des NABU bedeutet das Bürokratieabbaugesetz einen Rückschritt: Ehrenamtliche Mitwirkung wird erschwert, Beteiligungsrechte geschwächt, Schutzinstrumente aufgeweicht – und das unter dem Vorwand der Verwaltungsvereinfachung.

✅ NABU sagt: Bürokratieabbau ja – aber nicht auf Kosten der Natur!
Statt Beteiligung zu kürzen, fordert der NABU echte Vereinfachungen: z. B. schnellere Verfahren für Renaturierungen, weniger bürokratische Hürden für Gewässerpflege und klare Ziele in Schutzgebieten.


📎 Hinweis: Der Gesetzentwurf befindet sich aktuell in der politischen Beratung. Der NABU setzt sich hessenweit für eine Überarbeitung ein – mit dem Ziel, Natur- und Klimaschutz nicht unter „Bürokratie“ abzubuchen.