Neue Perspektiven für Hessens Wälder – 10 Thesen zur Zukunft des Waldes

In einer kürzlich stattgefundenden Podiumsdiskussion in Bad Vilbel kamen führende Experten aus den Bereichen Forstwissenschaft, Umweltschutz und NABU zusammen, darunter Mark Harthun, NABU Hessen, stellvert. Geschäftsführer, der zu Beginn in einem Impulsvortrag mit 10 Thesen zur Zukunft des Waldes in der Klimakrise einleitete.

In den letzten fünf Jahren hat eine beispiellose Serie trockener Sommer in Hessen zu alarmierenden Waldschäden geführt. Besonders betroffen waren Nadelholz-Monokulturen, deren Schädigung von Fachleuten vorhergesehen wurde. Jedoch hat das Ausmaß, in dem auch heimische Laubwälder, insbesondere Buchenwälder, betroffen sind, sowohl Biologen als auch Förster überrascht. In Regionen wie dem Taunus ist das Ausmaß der Zerstörung besonders deutlich: Innerhalb dieses Zeitraums sind 10% des hessischen Waldes abgestorben.

Diese Entwicklungen werfen ein kritisches Licht auf das langjährige Prinzip der multifunktionalen Forstwirtschaft, das vorsieht, dass Wälder eine Vielzahl von Aufgaben erfüllen sollen – von der Rohstofflieferung über Naturschutz, Artenschutz, Erholung bis hin zu Boden- und Grundwasserschutz. Die aktuellen Ereignisse zeigen, dass dieses Modell möglicherweise nicht mehr tragfähig ist und eine Neubewertung der Rolle und des Managements unserer Wälder dringend erforderlich macht.

Einen Zusammenfassung der Podiumsdiskussion mit Dr. Tina Baumann, Leiterin Stadtforst Frankfurt am Main – Klaus Borger, Forstbetriebsgemeinschaft Saar-Hochwald – Mark Harthun, NABU Hessen, stellvert. Geschäftsführer – Prof. Dr. Rainer Luick, Hochschule Rottenburg – Jörg Nitsch, Landesvorsitzender BUND Hessen, Landessprecher AK Wald, finden Sie hier.

Die “10 Thesen” von M. Harthun beinhalten wichtige Aussagen und Vorschläge zur Forstwirtschaft und Waldpflege, besonders im Kontext des Klimawandels und der Erhaltung von Wäldern. Hier sind die zehn Thesen zusammengefasst:

  1. Multifunktionale Forstwirtschaft in der Klimakrise: Die bestehende Erwartung, dass Wälder viele Funktionen gleichzeitig erfüllen sollen (Rohstofflieferant, Naturschutz, Erholung etc.), ist in Zeiten der Klimakrise nicht aufrechtzuerhalten. Es wird eine Neuorientierung und Priorisierung, insbesondere mit Fokus auf Walderhaltung, gefordert.
  2. Erhalt des Waldinnenklimas: Zur Bewahrung des Waldinnenklimas soll eine Einschlagspause für gering geöffnete Bestände eingeführt werden, um das Kronendach möglichst geschlossen zu halten. Dies hilft, die Widerstandsfähigkeit der Wälder gegen Trockenheit zu stärken.
  3. Mehr Masse im Wald: Die These fordert eine Erhöhung des Holzvorrats im Wald, z.B. durch Verlängerung der Umtriebszeit und Erhöhung der Zielstärke der Bäume. Ziel ist es, den Kohlenstoffbindungs- und Artenschutz zu verbessern.
  4. Förderung des Dauerwaldes: Hier wird die Notwendigkeit betont, von Altersklassenwäldern zu Dauerwäldern überzugehen, um eine kontinuierliche Verjüngung und vielschichtige Waldstruktur zu erreichen.
  5. Wirtschaftliche Nutzung und natürliche Waldentwicklung: Diese These plädiert dafür, die wirtschaftliche Nutzung auf 85% der Waldfläche zu begrenzen und auf 15% der Fläche eine natürliche Waldentwicklung zu ermöglichen, um die Resilienz gegen den Klimawandel zu stärken.
  6. Vermeidung von Aktionismus und Überreaktion: In Reaktion auf Waldschäden sollte man weniger auf intensive Forstmaßnahmen setzen, sondern Geduld und natürliche Prozesse bevorzugen, um echte Nachhaltigkeit zu erreichen.
  7. Kostenersparnis und Nachhaltigkeit: Um Kosten zu sparen und die Nachhaltigkeit zu fördern, sollte der Schwerpunkt auf natürlicher Verjüngung, effektiverer Jagd zur Vermeidung von Wildverbiss und minimalem Eingriff in die Waldpflege liegen.
  8. Anpassung an den Klimawandel durch natürliche Waldgesellschaften: Diese These betont die Notwendigkeit, standortgerechte, gemischte Baumarten zu fördern und sich an das natürliche Holzangebot anzupassen, anstatt die Nachfrage des Marktes zu priorisieren.
  9. Wasserspeicherung im Wald: Es wird vorgeschlagen, alles zu tun, um Wasser im Wald zu speichern, z.B. durch Rückbau von Entwässerungsmaßnahmen und Nutzung der Wasserbauaktivitäten von Bibern.
  10. Nicht vor dem Klimawandel kapitulieren: Die letzte These betont die Bedeutung des Schutzes alter Wälder und die Stärkung ihrer Widerstandskraft gegenüber dem Klimawandel. Es wird ein fundamentaler Wandel in der Forst- und Holzwirtschaft gefordert, hin zu einer sanfteren Bewirtschaftung.

Diese Thesen spiegeln eine umfassende und zukunftsorientierte Sicht auf die Forstwirtschaft wider, die sich auf den Erhalt und die Stärkung der Wälder in einer sich verändernden Umwelt konzentriert.

 

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