Solarenergie gilt als ein zentrales Element der Energiewende. Doch während der Ausbau der Photovoltaik auf Dächern weitgehend unkritisch gesehen wird, sorgen Freiflächenanlagen auf ehemals landwirtschaftlich genutzten Böden zunehmend für Diskussionen.
Können solche Anlagen tatsächlich Lebensräume für Tiere und Pflanzen schaffen – oder verschärfen sie die Konkurrenz um Fläche und Artenvielfalt? Eine neue Studie des Bundesverbands Neue Energiewirtschaft (BNE) versucht darauf Antworten zu geben. Wir haben sie unter die Lupe genommen.
Unter dem Titel „Artenvielfalt in Solarparks“ veröffentlichte der BNE 2024 eine umfangreiche Studie auf Basis von Erhebungen an 31 Photovoltaik-Freiflächenanlagen in Deutschland. Die Anlagen wurden größtenteils im Jahr 2024 kartiert, wobei acht Artengruppen untersucht wurden – darunter Pflanzen, Insekten, Vögel und Fledermäuse.
Laut Studie konnten insgesamt über 380 Pflanzenarten sowie mehr als 30 Tagfalter- und Vogelarten nachgewiesen werden. Diese Ergebnisse werden als Hinweis darauf gewertet, dass Solarparks einen positiven Beitrag zur Biodiversität leisten können, insbesondere im Vergleich zu intensiv genutzter Agrarfläche.
Die Studie wurde von verschiedenen Fachbüros durchgeführt und enthält eine Vielzahl an Tabellen, Steckbriefen und sogenannten „Faktenchecks“. Ziel des Projekts war es nach eigener Aussage, die Debatte über die ökologische Wirkung von PV-Anlagen auf Freiflächen zu versachlichen.
Unsere kritische Analyse
Die Studie ist in ihrer Umfang und Datenvielfalt beeindruckend – sie liefert eine wertvolle Datensammlung. Dennoch zeigen sich bei genauer Betrachtung mehrere strukturelle und methodische Schwächen, die eine objektive Bewertung erschweren:
Keine Vergleichsflächen, kein Vorher-Nachher-Ansatz
Die zentrale Aussage der Studie – ein Anstieg der Artenvielfalt nach dem Bau der PV-Anlagen – basiert nicht auf Vorher-Nachher-Messungen, sondern auf isolierten Momentaufnahmen. Es fehlen Vergleichsflächen (z. B. benachbarte Felder ohne PV-Anlage), was die Aussagekraft erheblich einschränkt.
Artenspektrum ohne ökologische Tiefe
Zwar werden viele Arten genannt, aber keine differenzierte Bewertung ihrer ökologischen Bedeutung vorgenommen. Wichtige Fragen bleiben unbeantwortet:
- Sind die Arten dauerhaft heimisch?
- Gibt es Reproduktionsnachweise?
- Handelt es sich um Spezialisten oder Allerweltsarten?
Die häufige Betonung hoher Artenzahlen greift zu kurz – Artenreichtum ist nicht gleich ökologischer Wert.
Unklare Pflege- und Managementstandards
Die Studie erwähnt verschiedene Pflegemaßnahmen (z. B. Mahd, Beweidung), doch es bleibt unklar, welche Maßnahmen konkret zu welchen Beobachtungen geführt haben. Ein flächendeckendes Pflegekonzept mit Empfehlungen fehlt.
Zielkonflikte werden ausgeblendet
Freiflächenanlagen entstehen oft auf ehemals landwirtschaftlich genutzten Flächen. Der damit verbundene Verlust an Ackerland wird in der Studie zwar angedeutet, aber nicht systematisch thematisiert – obwohl genau hier eine der zentralen Fragen liegt: Wird die Artenvielfalt innerhalb des Solarzauns auf Kosten der Biodiversität anderswo erkauft?
Fazit
Die BNE-Studie liefert einen interessanten Einblick in die Artenvielfalt innerhalb von Solarparks – doch sie genügt nicht den Anforderungen an eine objektiv-wissenschaftliche Bewertung. Ohne Vergleichsdaten, ohne Reproduktionsnachweise und ohne langfristige Betrachtung lassen sich keine belastbaren Aussagen über die ökologische Wirkung treffen.
Solarparks können einen Beitrag zur Biodiversität leisten – aber nur unter klar definierten Bedingungen. Dazu gehören:
- Strukturvielfalt
- extensive Pflege
- geeignete Standortwahl
- Monitoring
Ein Freibrief für den Ausbau auf wertvollen Offenlandflächen kann aus dieser Studie nicht abgeleitet werden.
Titelbild: DALL-E
Hintergrundwissen für Einsteiger:innen:
Als Artenvielfalt bezeichnet man die Anzahl und Unterschiedlichkeit von Tier- und Pflanzenarten in einem Gebiet. In Solarparks entstehen durch wenig genutzte Flächen unter den Modulen potenziell neue Lebensräume – z. B. für Wildbienen, Heuschrecken oder bodenbrütende Vögel.
Doch Achtung: Nur weil viele Arten gezählt werden, heißt das nicht automatisch, dass der Lebensraum ökologisch wertvoll ist. Entscheidend ist, ob die Arten dauerhaft bleiben, sich vermehren und ob es sich um gefährdete Arten handelt.