Immer wieder erreichen uns Hinweise und Bitten von Bürgerinnen und Bürgern, die sich mit großem persönlichem Einsatz für den Schutz unserer heimischen Natur einsetzen. Dieses Engagement ist für uns nicht nur eine wertvolle Informationsquelle, sondern auch ein deutliches Zeichen, dass Naturschutz in unserer Region von vielen Menschen aktiv gelebt wird.
In diesem Sinne bedanken wir uns ausdrücklich bei allen, die uns auf die aktuelle Problematik des Wildschweinzauns in der Maulbeeraue bei Lampertheim aufmerksam gemacht haben.
Titelbild: Rehe auf der Maulbeeraue © THS
Ein Wildzaun, der zum Verhängnis wird
Seit einiger Zeit verläuft ein Wildschweinzaun im Bereich der Maulbeeraue, der im Rahmen der Maßnahmen zur Eindämmung der Afrikanischen Schweinepest errichtet wurde. Die Maulbeeraue ist ein Landschaftsschutzgebiet und zugleich Teil des europäischen Schutzgebietsnetzes Natura 2000. Der Zaun trennt die Maulbeeraue jedoch vollständig vom angrenzenden Festland ab.
Bei Hochwasser haben Wildtiere wie Rehe, Füchse und andere Arten keine Möglichkeit mehr, den Bereich zu verlassen. Sie wären gezwungen, in den Fluten auszuharren – ein Szenario, das unweigerlich zu qualvollem Verenden vieler Tiere führen kann.
Rechtliche Lage: Formal korrekt, aber ethisch und tierschutzrechtlich bedenklich
Wir sind uns der rechtlichen Rahmenbedingungen bewusst: Die Bekämpfung der Afrikanischen Schweinepest hat hohe Priorität, und Wildschutzzäune sind als Maßnahme grundsätzlich zulässig. Das Veterinäramt des Kreises Bergstraße und das Hessische Ministerium für Landwirtschaft und Umwelt tragen die Verantwortung für Planung und Umsetzung solcher Schutzmaßnahmen.
Dennoch weisen wir ausdrücklich darauf hin, dass nach § 17 des Tierschutzgesetzes erhebliche Schmerzen, Leiden oder Schäden an Tieren ohne vernünftigen Grund verboten sind. Auch bei seuchenrechtlichen Maßnahmen müssen gemäß geltendem Recht die Auswirkungen auf die Tierwelt so gering wie möglich gehalten werden.
Das gezielte Absperren eines Überschwemmungsgebietes ohne Fluchtmöglichkeit widerspricht diesem Gebot und stellt aus unserer Sicht eine erhebliche tierschutzrechtliche Problematik dar.
Gleichzeitig sehen wir als Naturschutzverband eine klare ethische und moralische Verpflichtung, das Leid der Tiere so weit wie möglich zu verhindern. Ein Schutzgebiet, das seine Bewohner in Notzeiten im Stich lässt, verliert nicht nur seine Glaubwürdigkeit, sondern stellt auch die Grundsätze des Natur- und Tierschutzes in Frage.
Unser Handeln: Schriftliche Eingabe an das Umweltministerium
Aus diesem Grund haben wir als NABU Kreisverband Bergstraße am 04. Mai 2025 ein offizielles Schreiben an Staatsminister Ingmar Jung übermittelt. Darin fordern wir:
- eine sofortige Überprüfung des Wildzaunverlaufs unter tierschutzrechtlichen und naturschutzfachlichen Gesichtspunkten,
- die Verlegung des Zaunes hinter den Deich im Bereich der Maulbeeraue, um Fluchtwege für Wildtiere bei Hochwasser zu erhalten,
- eine offizielle Stellungnahme des Ministeriums bis zum 20. Mai 2025.
In unserem Schreiben erinnern wir das Ministerium an seine Verantwortung, nicht nur Seuchenschutz sicherzustellen, sondern auch den Schutz der Wildtiere und der natürlichen Lebensräume ernst zu nehmen.
Wir erwarten, dass Maßnahmen, die ein Landschaftsschutzgebiet betreffen, stets den Grundsätzen des Tierschutzes und der Naturerhaltung verpflichtet bleiben – auch unter schwierigen Bedingungen.
Keine akzeptable Alternative zur Verlegung
Wir sind der festen Überzeugung, dass es keinen stichhaltigen Grund geben kann, eine Verlegung des Wildzauns hinter den Deich abzulehnen. Der Schutz der Bevölkerung vor der Afrikanischen Schweinepest lässt sich auch bei einer Verlegung gewährleisten, während gleichzeitig das qualvolle Verenden von Wildtieren bei Hochwasser verhindert werden könnte.
Unser Appell
Wir hoffen auf die Einsicht und den verantwortungsvollen Umgang des Hessischen Umweltministeriums mit dieser Angelegenheit.
Natur- und Tierschutz dürfen nicht in guten Zeiten gepredigt und in Krisenzeiten ignoriert werden. Gerade die sensiblen Bereiche unserer Schutzgebiete verdienen eine Lösung, die Mensch, Natur und Tier gleichermaßen gerecht wird.
Wir werden die weitere Entwicklung aufmerksam begleiten und stehen weiterhin in engem Austausch mit Bürgerinnen und Bürgern sowie den zuständigen Behörden.
Anschreiben an den Staatsminister